Dienstag, 26. April 2016

Moratinos - Bercianos del Real Camino



Ortszentrum von Moratinos

Die 20 km von Moratinos über Sahagún nach Bercianos del Real Camino bin ich heute nicht ganz freiwillig gelaufen, denn eigentlich wollte ich nicht weiter als bis Calzadas del Coto gehen, aber dann kam es leider anders und ich musste - wenn auch unter größter Überwindung - noch weitere 6 km zulegen ...

Die "Botegas" von Moratinos sind in den Hang gegrabene Weinkeller

Aber beginnen wir ganz von vorne, d.h. dort, wo ich gestern stehen geblieben war, nämlich im Hostel Moratinos: Ich war glücklich über mein schönes Zimmer in der modernen Herberge und wollte gerade ein wenig ausruhen, als es an der Tür klopfte, der Betreiber einen Mann ins Zimmer begleitete und diesem ohne viel Federlesens oder gar eine Entschuldigung den Platz neben mir im Doppelbett zuwies.

Mit einem Wildfremden Mann im Doppelbett: Auch solche Überraschungen gibt es auf dem Camino

Dieser - wie sich später herausstellte ein Däne - war fast noch erstaunter als ich ... denn selbst auf dem Camino ist ein solches Vorgehen (insbesondere, wenn die Betriebe bestenfalls zur Hälfte und in unserem Fall zu etwa 10% ausgelastet sind) doch recht ungewöhnlich. 

Ziemlich mit der Situation überfordert packte der Däne die wichtigsten Sachen aus und verschwand dann für längere Zeit. Ich sah ihn später unten im Speisesaal bei einem Bier.

Das war jedoch noch nicht alles. Keine Viertelstunde später klopfte es wieder an der Zimmertür und der Hospitalero führte wortlos einen weiteren Mann, so um die 70, herein und wies ihm das zweite - in einer Nische stehende - Bett zu.

Die typischen Lehmhäuser in Moratinos

Wer dieser Mann war und woher er kam, kann ich leider nicht sagen, denn seine Kommunikation beschränkte sich auf ein paar unverständliche Laute und er warf sich nach einem kurzen Abstecher ins Bad umgehend auf sein Bett, um erst wieder am darauffolgenden Morgen - ich machte mir zwischendurch bereits Sorgen, ob er überhaupt noch am Leben war oder vielleicht ein Herzinfarkt seinem Dasein ein abruptes Ende gesetzt hatte - wortlos wieder aufzustehen und das Haus zu verlassen.

Die Nacht verlief allerdings ruhiger, als ich befürchtete hatte: Der Däne bot mir vor dem Schlafengehen an, unsere beiden Betten 10 cm auseinander zu schieben (mehr Platz wäre auch nicht gewesen) und das Schnarchkonzert, mit dem ich eigentlich fix gerechnet hatte, blieb erfreulicherweise aus.

So erwachte ich gegen 06:00 Uhr gut erholt (die Matratzen im Hostel sind übrigens von hervorragender Qualität), packte meine Siebensachen, trank schnell einen Espresso und verließ gegen 07:30 das Hostal.
 
Aufbruch bei Sonnenaufgang

Die Sonne ging gerade auf, der Mond stand ebenfalls noch am Himmel, das Wetter war gut und bereits jetzt angenehm warm und ich wanderte guter Dinge durch die Wiesen und Felder bis ins nächste Dorf, San Nicolás, wo ich mir einen frisch gepressten Orangensaft und ein Muffin genehmigte, denn vor mir lagen 7,5 km ohne eine weitere Möglichkeit sich zu stärken.

San Nicolás

Der Weg entlang der Autovia Camino de Santiago war eintönig und zog sich dahin.


Endlich, es war so gegen 09:30 kam ich zu einem Bach. Eine steinerne Brücke führte zu einer kleinen Kirche, auf der Wiese rundum standen Tische und Bänke sowie zwei Säulen mit Statuen und einer Inschrift, die darüber informierte, dass hiermit die Hälfte des Camino absolviert war.

Ermita de la Virgen del Puente, kurz vor Sahagun

Sahagún - Centro geográfico del Camino

Ein paar andere Pilger kamen hinzu und wir machten gegenseitig Fotos von einander, dann brach ich auf ins etwa 2 km entfernte Sahagún. 

Albergue de peregrinos, Sahagún

Auch diese Stadt hatte früher sicher schon einmal bessere Zeiten gesehen: Viele Häuser standen leer oder zum Verkauf, Kirchen und Kunstwerke waren teilweise verfallen und meine Suche nach einem Supermarkt oder einem Laden, der diese Bezeichnung auch nur halbwegs verdiente, verlief erfolglos.

Stadtzentrum von Sahagún

Kaum war ich in der Stadt drin, war ich auch schon wieder draußen, wiederum ging es über eine Brücke und anschließend entlang der Straße Richtung Bercianos, das ich allerdings heute gar nicht anstrebte.

Immer weiter der Jakobsmuschel nach ...

Die Sonne schien, es wurde heiß und dieser Teil des Caminos, auf einem staubigen und schmalen Weg entlang der Straße, wirkte nicht gerade ansprechend oder aufbauend. Ich tröstete mich mit der Hoffnung auf ein gutes Mittagessen im nächsten Dorf, das ich irgendwo hinter dem Autobahnknotenpunkt in der Ferne vermutete. Jetzt zog sich der Weg wirklich schon endlos entlang der Straße dahin.



Endlich tauchte eine Brücke - und inmitten des Asphalts der verschiedenen Zubringer-Straßen ein Dorf auf: Calzada del Coto! 


Es war jetzt 12, ich hatte Hunger und Durst und wollte eigentlich den Camino fur heute hier beenden, doch die einzige Herberge, die außerdem, das sei hier noch am Rande erwähnt, nicht sehr einladend auf mich wirkte, war geschlossen und sollte erst um 13 Uhr aufsperren.

Mein erster Gedanke, inzwischen essen zu gehen oder mir zumindest etwas Essbares zu besorgen, wurde sehr rasch ad absurdum geführt, denn in diesem Dorf gab es - im Gegensatz zu den Angaben im Pilgerführer (die sich auch bereits hinsichtlich der Öffnungszeiten der Herberge als falsch erwies en hatten und das nicht zum ersten Mal) - außer ein paar Häusern, Ställen und Wiesen - absolut nichts, nicht einmal Einwohner, die man danach hätte Fragen können, ließen sich blicken.


Auf einem Rastplatz am Ende des Ortes stieß ein Deutscher zu mir, mit dem ich bereits in Hontanas ein paar Worte gewechselt hatte, und zum Trost bot er mir ein Stück Schokolade an.

An dieser Stelle teilt sich der Weg nach León in den klassischen Camino Francés (5 km bis Bercianos del Real Camino) und den "camino alternativo" (8 km bis ... irgendwohin, das war mir aber sowieso egal).


Ich entschied mich für den Weg links (5 km!), der Deutsche, der sich vorhin gerade noch als bequem bezeichnet hatte - warum auch immer - für den auf der rechten Seite und schleppte mich und meinen Rucksack, der nun von Kilometer zu Kilometer schwerer wurde, mit schmerzenden Füßen weiter bis zu dem offiziellen Ende von Etappe 18, ein Dorf mit dem klingenden Namen Bercianos del Real Camino.

Oase am Ortseingang von Bercianos: "Casa de Peregrino" bar & café

Um 13:30 war es endlich geschafft und am Dorfeingang erwartete mich ein Lokal mit Tischen und Stühlen unter roten Sonnenschirmen, einem Besitzer, der zu meiner Freude Italienisch sprach, köstlichem kühlen Bier und Thunfisch in Blätterteig.

Albergue Santa Clara in Bercianos

So gestärkt fand ich auch meine Kräfte wieder, bekam ein Bett in einem geräumigen 4-Bett-Zimmer in der gemütlichen Albergue Santa Clara (auch hier spricht man Italienisch) und ließ den Tag ruhig ausklingen.

Abendstimmung in Bercianos




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