Freitag, 30. September 2016

Triacastela - Sarria: Long and winded road ...


Albergue de peregrinos Casa Forte de Lusío in San Cristovo de Real

Ich habe keine Ahnung, was in den Köpfen der Leute vorgeht, aber es stimmt wirklich: Je mehr wir uns Santiago nähern, um so stärker greift die Hektik um sich. Die junge Ungarin aus meinem Zimmer begann sich bereits vor 5 fertig zu machen und gegen halb sechs war sie auf und davon. Die beiden Südafrikanerinnen folgten ihr auf dem Fuße, und da ich nun schon einmal wach war, brach ich - fast schon als letzte - gegen 06:30 auf.

 

Natürlich war es draußen noch stockfinster (fürchten sich die anderen eigentlich nicht? Ich schon ...). Um meine von den letzten beiden sehr anstrengenden Tagen etwas beleidigten Gelenke zu schonen, entschied ich mich für den Weg entlang der LU 633 und blieb dort, mit Ausnahme von vier oder fünf Radpilgern den ganzen Tag allein.

Blick auf das Kloster San Xulián y Basilisa in Samos

Die Landschaft war größtenteils monoton und der Weg zog sich dahin. Auch auf das Frühstück musste ich 10 km warten, denn vor Samos war alles geschlossen. Das riesige Kloster ganz plötzlich und mitten in der Landschaft beeindruckte mich sehr. 

Samos

Hier unten am Fluss war es auch ziemlich kalt. Das Thermometer bei der Apotheke zeigte gegen 09:30, als ich aus der Bar Abadia heraus kam, ganze 9 Grad.
 
 

Nun folgte ein recht schöner Wegabschnitt entlang eines von Birken gesäumten Baches mit vielen Sitzbänken und Rastplätzen, einer davon war als "Steinmuseum"(Museo da Pedra) ausgewiesen und zeigte die unterschiedliche Verarbeitung von Gestein.

Museo da Pedra

Danach nur mehr endlose Serpentinen, teilweise bergab, dann wieder bergauf. Die beiden Dörfer Telgun und Aián, an denen ich vorbeikam, wirkten menschenleer.

 
Altstadt von Sarria

Nach etwa 6 Stunden einsamen vor mich her Pilgerns erblickte ich endlich die Hochhäuser von Sarria, musste aber noch ein weiteres gutes Stück in die Stadt hinein wandern, bis ich in die Altstadt und somit zu den ersten Herbergen kam. 

Albergue Puente Ribeira

Ich entschied mich für die schöne neue Albergue Puente Ribeira gleich unten am Fluss. Auch hier waren nur wenige Pilger, sodass ich das Glück hatte, in meiner 4er-Koje ganz für mich allein zu sein.
Der Rest des Tages verlief nicht anders, als an den meisten anderen Tagen: Duschen, Wäsche waschen, einkaufen gehen, Stadtbummel, Tagebuch schreiben ...

Promenade und Terrassencafés am Rio Sarria

Ich kann es kaum glauben, dass ich nun nur mehr 111 km von Santiago entfernt bin und - so alles gut geht - in etwa einer Woche dort ankommen werde.

Hospital de la Condesa - Triacastela


Nicht nur, dass es mit dem Bergsteigen nicht vorbei ist, sobald man den Angstgegner O Cebreiro bezwungen hat (nach Hospital do/de la Condesa geht es nämlich noch ein - zum Glück nicht allzu langes - weiteres Stück steil bergauf), sondern auch der lange, steinige Abstieg vom Alto do Poio (1337 m) nach Triacastela (665 m) waren mehr als ausreichend, um mir zu beweisen, dass diese Etappe zu den schwierigsten den gesamten Camino francés gehört.


Ich brach um 06:30 von der Herberge auf (nicht, dass ich das gewollt oder irgend einen stichhaltigen Grund dafür gehabt hätte, sondern weil ab 05:30 an kein Weiterschlafen mehr zu denken war) und wanderte durch die Finsternis - wie ich meinte - Richtung bergab. Darauf, wie steil es nach einigen Minuten nochmals bergauf gehen sollte, war ich überhaupt nicht gefasst und geriet trotz der morgendlichen Kühle ziemlich ins Schwitzen. Als ich schon eine Pause zum Luftholen einlegen wollte, sah ich zum Glück durch die Bäume oben auf der Höhe des Bergkamms, Lichter: Die Herberge "Do Puerto" mit angeschlossener (und geöffneter) Bar war im wahrsten Sinne des Wortes meine Rettung!

Albergue Bar Puerto in Alto do Poio
 
Nach einem großen Café con leche, einem Glas frischem Orangensaft und einem Stück hausgemachten Blechkuchen fühlte ich mich wieder frisch und munter und setzte meinen Weg fort.

Von nun an ging es mehrere Stunden recht steil bergab und ich musste mich stark auf den Weg konzentrieren, um nicht über einen Stein zu stolpern. Die Landschaft war eher eintönig, die beiden Dörfer Fonfria und Biduedo wie ausgestorben.


Nach etwa 10 km erreichte ich Filloval. Dieser Ort könnte mit einer schönen Pension und geöffnetem Restaurant punkten. Ich setzte mich auf die Terrasse und ruhte mich ein wenig aus, um neue Kräfte für das letzte Drittel des Abstiegs zu schöpfen.


Mittlerweile stand die Sonne bereits hoch am Himmel und es war ziemlich heiß. Auch meine Knie, die ich seit über einem Jahr nicht gespürt hatte, machten sich nach und nach immer stärker bemerkbar, so dass ich mich in As Pasantes entschloss, vom steinigen Pilgerweg auf die LU-633 zu wechseln und die letzten Kilometer auf weitaus bequemerem Asphalt hinter mich zu bringen.
Als ich gegen Mittag endlich in Triacastela eintraf, war ich erschöpft, wie noch kaum zuvor. Die in einem wunderschönen Garten gelegene öffentliche Pilgerherberge war noch geschlossen, so setzte ich mich erstmal in das Restaurant O Peregrinos gleich daneben und bestellte mir ein kräftiges Mittagessen.


Die Herberge öffnete pünktlich um 13:00 und ich bekam ein Bett in einem 4-Bettzimmer zusammen mit drei anderen Pilgerinnen, einer jungen Ungarin und zwei Südafrikanerinnen meines Alters.
Etwas später, nach dem Duschen und Wäsche waschen, machte ich mich auf die Suche nach einem Supermarkt (er war gleich in der Nähe und ist ganztägig geöffnet) und anschließend einen Rundgang durch die Stadt. 

Albergue de Triacastela

Triacastela besitzt eine schöne romanische Kirche und zahlreiche Hotels, Herbergen und Lokale. Ein wirklich schönes Plätzchen inmitten der hohen Berge der Sierra do Rañadoiro. 

 

Der Herbst hat hier bisher noch keinen Einzug gehalten: Alles ist saftig grün, in den Gärten wachsen Gemüse und Blumen und das Wetter ist ebenfalls noch hochsommerlich schön.



Mittwoch, 28. September 2016

Las Herrerias - O Cebreiro - Hospital de la Condesa

 
Aufstieg nach La Laguna

Die Nacht verlief unruhig, möglicherweise dachten alle bereits an den bevorstehenden Aufstieg nach O Cebreiro, der ja in den diversen Wander- und Pilgerführern als schwer gekennzeichnet ist.


Jedenfalls begann das morgendliche Rascheln heute gegen 05:30, die ersten machten sich bereits um 06:00 Uhr auf den Weg. Ich wartete noch bis sieben, denn draußen war es stockfinster und ich hatte keine Lust, irgendwo in einen Abgrund zu stürzen oder von einem Auto niedergeführt zu werden.
Es war noch immer finstere Nacht, doch ich hatte einen anderen Pilger mit Stirnlampe vor mir und so war der Weg gut ausgeleuchtet. Nach etwa einer Stunde erreichte ich La Faba, ging aber gleich weiter nach La Laguna, wo ich gegen 09:00 Uhr ankam.



Gleich vorab: Der Anstieg auf den O Cebreiro ist zwar teilweise recht steil, aber als besonders schwierig habe ich ihn nicht empfunden und er war auch für mich mit 60+ leicht zu meistern.

Letzte Stärkung in La Laguna

In La Laguna kehrte ich in der Bar La Escuela ein, könnte mir ein leckeres Frühstück, bestehend aus Kaffee, frisch gepresstem Orangensaft, Keksen und einer Banane, und nahm dann den letzten Teil des Anstiegs in Angriff. Der schmale alte Pilgerweg führt durch die herrliche Gebirgslandschaft weiter bergauf. Es ist ein echtes Fest für die Augen, einerseits die bereits herbstliche Vegetation und andererseits die großartige Landschaft von hoch oben aus bewundern zu können. 

Alle Anstrengungen wert: Blick vom O Cebreiro-Pass

Etwa auf halben Weg zeigte ein Stein an, dass die Region León und Kastilien hier endete und Galizien begann und natürlich machte ich hier so wie alle anderen ein Foto...

Von León y Castilla nach Galicia

Nach etwa einer Stunde erreichte ich dann das Museumsdorf O Cebreiro. Hier oben wehte eisiger Wind, Touristenbusse parkten am Ortseingang und in den beiden Souvenirläden wurde Kisch aller Art angeboten.

O Cebreiro

Ich machte ein paar Fotos und schaute, dass ich von hier wegkam. Dabei vergaß ich sogar darauf, den Pilgerpass stempeln zu lassen, aber das dürfte sicher kein Problem darstellen.

Mittagessen in Liñares

Anschließend ging es entlang der Landstraße bergab nach Liñares, wo ich mein Mittagessen, bestehend aus einer großen Portion Empanada con átun (Mit Thunfisch gefüllte Teigtaschen) und einer guten Flasche Bier - beides zusammen zum Preis von 2 € - einnahm.

Alto de San Roque

Pilgerstatue auf dem Alto de San Roque

Danach ging es wieder leicht bergauf zu einem der schönsten Plätze des heutigen Tages, dem Alto de San Roque. Der Blick von hier aus über die Hügel und Täler Galizien ist unbeschreiblich!
 

Langsam begann mich das Gewicht meines Rucksacks nun doch zu drücken und daher beschloss ich, mir in der nächsten Herberge ein Bett zu suchen. Kurz danach kam ich nach Hospital de la Condesa, ein typisch galizisches Dorf, wie es idyllischer nicht sein könnte.
 

 


Die von der Region Galicia betriebene Pilgerherberge gleich am Ortseingang ist modern und ganz neu. Sie bietet Platz für 22 Personen und als ich kurz nach 12:15 ankam, war sie noch geschlossen.
Um 13:00 könnte ich mein Bett beziehen, duschen und Wäsche waschen, danach machte ich einen Rundgang durch den Ort.



Ich war trotz des 700 m hohen Anstiegs auf den O Cebreiro weder müde noch erschöpft, sondern fühlte mich großartig und auch ein wenig stolz darüber, dass ich diese Etappe so problemlos hinter mich gebracht hatte. 

Wie man sieht, sind es die zumeist unbegründeten Ängste im Vorfeld, die einen herunterziehen, doch ich habe meine eigene Strategie dagegen entwickelt: Angstmachende Situationen so rasch wie möglich in Angriff nehmen und hinter mich bringen. So habe ich es auch diesmal gehalten und bin gut damit gefahren...

Dienstag, 27. September 2016

Pereje - Las Herrerias


La Portela

Ich habe den Eindruck, je näher ich nach Santiago komme, umso hektischer werden die Pilger. Nach 05:30 war heute an weiterschlafen nicht zu denken und um 07:00 verließ ich (als letzte!) die Albergue municipal von Perejos. 

Ambasmestas

Draußen war es stockfinster und der Weg neben der Landstraße war einsam und ein wenig unheimlich. Ich war erleichtert, als gegen 08:00 die ersten Lichter von Trabadelo auftauchten. Hier frühstückte ich ausgiebig und wanderte anschließend weiter nach La Portela de Valcarce, Ambasmestas und Vega de Valcarce. Der Weg verlief fast durchwegs eben und das Pilgern fiel mir im Gegensatz zu den letzten Tagen leicht.

Kleine Bar in Vega de Valcarce

In Vega kehrte ich nochmals kurz in einer Bar auf ein Glas frisch gepressten Orangensaft ein und kaufte im Supermarkt einige Vorräte. Vor mir lag der O Cebreiro, mit seinen baumlosen Hängen und den Autobahntrassen in schwindelerregender Höhe wirkte er ziemlich respekteinflößend.

Da muss ich morgen hinauf?

Da es erst gegen 10:30 und ich noch nicht müde war, entschied ich mich dafür, noch ein Stückchen weiter zu wandern und mir irgendwo am Beginn des steilen Anstieg ein nettes Nachtquartier zu suchen.

Ruitelán

Gesagt, getan. Die Herberge in Ruitelán war noch geschlossen, aber 2 km weiter, in Las Herrerias, fand ich ein ganz neues Haus, die Casa Lixa, wo ich sofort ein Bett bekam. 

Casa Lixa, Las Herrerias

Saubere, ganz moderne Zimmer, fast schon als luxuriös zu bezeichnende Duschen und Sanitäreinrichtungen, Schließfächer für die Wertgegenstände, Einwegbettwäsche, ein wunderschöner Eingangsbereich mit flackerndem Feuer im Kamin und gemütlichen Sitzgelegenheiten und das alles in einer Traumlage mitten im Gebirge - für 11€ fast schon ein Geschenk, und ich genieße es in vollen Zügen!
 
Idylle in Las Herrerías




Montag, 26. September 2016

Cacabelos - Pereje

Die Weinberge des Bierzo

Heute war ich müde, die Anstrengungen der letzten Woche machen sich bemerkbar, und so bin ich von Cacabelos nur bis kurz nach Villafranca del Bierzo, nach Pereje gekommen.


Weingut im Bierzo

Von Cacabelos ging es zunächst bergauf und bergab durch die Weingärten, wo die Bauern gerade mit der Weinlese beschäftigt waren. Ich hatte gehofft, unterwegs irgendwo frühstücken zu können, musste aber bis halb 11 warten, denn in den Dörfern entlang des Caminos war alles geschlossen.

Bar "La Escuela" - leider geschlossen

Endlich erreichte ich Villafranca und stärkte mich auf der Terrasse eines Cafés mit Orangensaft und Café con leche. Churros gab es gratis dazu. Es war ziemlich kalt und ich war froh, dass ich mich ein bisschen in der Sonne aufwärmen konnte.

Café, Orangensaft und Churros in Villafranca

Die Stadt mit ihren engen Gassen und den vielen Treppen gefiel mir nicht besonders, aber ich hatte sowieso nicht vorgehabt, hier zu bleiben.

Villafranca del Bierzo

Danach folgte eine ca. 5 km lange asphaltierte Strecke entlang der Landstraße, unter Autobahnbrücken hindurch, die zwischen hohen Bergen in Serpentinen langsam ins Tal führte.

Ziemlich öde: Kilometerlanger Weg entlang der Landstraße

Einzig erwähnenswert: Die Kastanienbäume und die vereinzelten Gemüsegärten entlang des Flusses, den die Straße mehrmals überquerte.

Auch für seine Edelkastanien bekannt - das Bierzo

Gegen Mittag erreichte ich das kleine Dorf Pereje, fand auf Anhieb die urige Albergue auf der rechten Straßenseite und die junge, nette Hospitalera erlaubte mir, meine Sachen einzustellen, obwohl die offizielle Öffnungszeit erst in einer halben Stunde, also um 12:30 h war.

Albergue de Pereje

So wusch ich erstmal im Garten meine Wäsche, hängte sie zum Trocknen auf und setzte mich ein wenig in die Sonne. Dann konnte ich auch schon einchecken und heiß duschen. Da ich die erste war, hatte ich freie Auswahl bei den Betten im Schlafsaal.

Auf der schattigen Terrasse der Bar Las Coronas

Nachdem ich alle Pflichten erledigt hatte, ging ich in dir kleine Bar gleich nebenan, aß und trank eine Kleinigkeit und genoss die Sonne auf der Terrasse.

Bar Las Coronas in Pereje

Anschließend blieb nichts Anderes zu tun, als mir die folgende Etappe im Pilgerführer anzusehen, mit zu Hause die neusten Nachrichten auszutauschen und mich auszuruhen, um den kommenden Herausforderungen - der Anstieg auf den 1330 m hohen O Cebreiro stand ja kurz bevor - gewachsen zu sein.

Tourigrinos auf dem Weg nach Santiago

Im Gegensatz zu meinen früheren Aufenthalten auf dem Jakobsweg bemerkte ich diesmal immer mehr Pilger bloß mit Tagesrucksack oder gänzlich ohne Gepäck. Ich frage mich, ob das ein allgemeiner Trend ist, oder ob es damit zu tun hat, dass ich nun schon sehr nahe bei Santiago bin und die Leute möglicherweise nach der langen Strecke von der französisch-spanischen Grenze bis hier her bereits müde sind. Tatsache ist auch, dass sehr viele von ihnen ihre Quartiere vorreservieren, wohin sie sich dann die Rucksäcke zustellen lassen. In meinen Augen eine ungute Entwicklung, da sie bei "echten" Pilgern, wie bereits erwähnt, viel Stress erzeugt, was einem entspannten und meditativen Pilgern entgegensteht. Es wundert mich daher nicht, dass viele bereits auf andere Routen ausweichen, denn das kann es einfach nicht sein ...