Freitag, 29. April 2016

León - La Virgen del Camino

Noch 300 km bis Santiago!
Nach dem gestrigen Kultur- und Sightseeing-Tag war mir wieder nach mehr Bewegung und da ich heute sozusagen einen Tag "übrig" hatte, bevor es morgen nach Bilbao und vom dort aus wieder zurück nach Wien geht, schloss ich mich den weiterziehenden Pilgern an und "hängte" sozusagen noch ein kleines Wegstück "dran".

Casa Botines, heute Sitz der Caja Espana von Gaudí in León
Nur mit dem Tagesrucksack, in dem sich mein Fotoapparat, eine Flasche Wasser und der Pilgerpass befanden - und ich war mir bisher kaum bewusst, was das für einen enormen Unterschied macht! - ging es die Ancha hinunter, an der Caja Espana und der Gaudi-Statue vorbei bis zur Plaza Santo Domingo und anschließend hinunter zur Junta, über die San Marco-Brücke über den Rio Bernesga und immer den gelben Pfeilen nach hinaus aus der Stadt.

Stempelstelle in San Adrés del Rabanedro

Im Vorort San Andrés del Rabanedo befindet sich noch ein Check-Point, wo man seinen Pilgerpass abstempeln und die Wasserflasche nochmals auffüllen kann, dann geht es - immer der Straße entlang - leicht bergauf bis Trobajo del Camino, ein Straßendorf mit einer recht hübschen kleinen Kapelle direkt am Straßenrand und auf der rechten Seite, etwas abseits der Straße, einem Mirador, sprich Aussichtspunkt, von wo aus man einen schönen letzten Blick zurück auf die Stadt genießen kann.

Blick zurück auf León

Die echte Herausforderung (weshalb ich allen, die Zeit und Energie sparen möchten oder müssen, empfehlen würde, von der Plaza Santo Domingo um 1,30 € den halbstündlich verkehrenden innerstädtischen Bus 1B nach Virgen del Camino zu nehmen) folgt jetzt: Stetig, und am Schluss recht steil bergauf geht es durch ein typisches Industriegebiet, das nichts zu bieten hat, außer anfangs ein paar Wohnsiedlungen und danach einen Mix aus Großmärkten, Werkstätten, Fabriken, viel Asphalt und Beton und starkem Verkehr.



Nach 7,5 km erreichten wir endlich den Ort La Virgen del Camino, wo ich mich nach einem Café con leche von meinen PilgerkollegInnen verabschiedete und ihnen schweren Herzens "Buen Camino!" wünschte. Wie gerne würde ich zusammen mit ihnen weiterlaufen!

Diesmaliger Endpunkt und Startpunkt im kommenden Herbst
 
Noch ein letzter gemeinsamer Kaffee, dann heißt es Adiós!


Da dies aber leider nicht möglich ist, nahm ich den Bus 1A zurück bis zum Stadtrand und besichtigte dort noch den wunderschönen Parque de Quevedo, eine kleine Oase mit freilaufenden Hühnern, Truthähnen und Straußen unten am Fluss.
Was mir nun noch bleibt, sind der heutige Nachmittag und morgen Vormittag, und schon jetzt habe ich Sehnsucht danach, den Weg weiterzulaufen, so Gott will im kommenden Herbst - von Virgen del Camino ...

Donnerstag, 28. April 2016

Leon!



Relief der Stadt León

 "Pulchra Leonia", das " schöne León" wurde die Hauptstadt der gleichnamigen Provinz schon vor vielen Jahrhunderten genannt und das ist sicher nicht übertrieben.

Die "Ancha" - hier auf Nr.8 befindet sich das Leon Hostel

Mein Hostel befindet sich ja im gotischen Teil der Stadt, keine Minute von der beeindruckenden Kathedrale Santa Maria entfernt, und so bräuchte ich praktisch nur das Haustor zu öffnen, um mich inmitten Hunderter Jahre Geschichte wieder zu finden. Was man der Stadt unbedingt zugute halten muss, ist, dass der Originalzustand vieler Häuser, Kirchen und Plätze kaum verändert wurde. Läden, Banken, Restaurants und Hotels wurden mit bemerkenswerter Umsicht in das historische Stadtbild integriert, auch ein Teil der alten Stadtmauern ist noch erhalten.

Las Murallas de León - die alten Stadtmauern

Aber ich möchte es nicht bei dem historischen Zentrum belassen, das auf jeden Fall beachtenswert ist, sich jedoch nicht allzu sehr vom anderen spanischen Städten dieser Größenordnung unterscheidet, denn auch das moderne León ist sehenswert!

Regierungsviertel und Museumsquartier in León

Im Westen der Stadt, an den Ufern des Flusses Bernesga, wurde nämlich ein ganz moderner Stadtteil errichtet, der einen interessanten Kontrapunkt zur Altstadt darstellt, so wie es meiner bescheidenen Meinung nach nur spanische (oder auch französische) Architektinnen und Architekten in dieser Perfektion beherrschen: Neben der von weitläufigen Grünflächen umgebenen Junta (dem Regierungs- und Verwaltungssitz der autonmomen Gemeinschaft Kastilien und León) befinden sich hier das Auditorium (ein Kulturzentrum mit Theater- und Konzertsälen), das Edificio Europa (Europa-Gebäude), das León Plaza, ein modernes Einkaufszentrum und das Museum für zeitgenössische Kunst (MUSAC), heute leider geschlossen.

MUSAC - Museum für zeitgenössische Kunst

Puente de los Leones in León
Nachmittags wurde das Wetter, das in den letzten Tagen wieder recht schlecht gewesen war, endlich wieder sonniger und wärmer und so machte ich - ausgehend von der Löwenbrücke - einen Spaziergang am Flussufer. 

Strauße im Parque de Quevedo

Die Uferpromenade wurde auf mehreren Ebenen - mit Kinderspielplätzen, Sportgeräten zur öffentlichen Benützung, vielen Sitzgelegenheiten und Sandbahnen zum Bocciaspielen - sehr liebevoll und vielfältig gestaltet. Ein weiterer interessanter Höhepunkt ist das Demonstrationszentrum für erneuerbare Energien mit seinem Mini-Kraftwerk direkt am Ufer des Rio Bernesga.
 
Geschichte, Moderne und Technik - das ist León

Reliegos - Mansilla de las Mulas - León

Von Reliegos war es nun nurmehr ein Katzensprung bis Mansilla de las Mulas, eine Kleinstadt am Rande des Einzugsgebiets von León und ohne besondere Sehenswürdigkeiten.

Mansilla de las Mulas

Ich hatte in diversen Foren die Empfehlung gelesen, von dort aus den Bus ins Stadtzentrum zu nehmen, um sich den eintönigen und langwierigen Weg durch wenig attraktive Vororte und Industriegebiete entlang der Autobahn zu ersparen, und das tat ich auch.

Busstation in Mansillas
 
Auch hier Überschwemmungen

Um ganz kleines Geld war ich innerhalb weniger Minuten in León, der Busbahnhof befindet sich am linken Ufer des Flusses Bernesga, von wo auch die Pilger, die diese Strecke zu Fuß laufen, über eine alte Steinbrücke in die Stadt einziehen.
 
León, Puente de San Marcos


Ich überquerte ebenfalls den Fluss und erreichte innerhalb weniger Minuten die Altstadt. Da sich mein Hostel, in dem ich bereits vor Wochen ein Bett vorgebucht hatte, gleich in der Nähe der schon von weitem sichtbaren Kathedrale befand, war es leicht, sich zu orientieren und ich erreichte die Calle Ancha zu Fuß in weniger als einer Viertelstunde.

León Hostel, Calle Ancha Nr. 8


Das Leon Hostel befindet sich im dritten Stock eines schönen alten Wohnhauses im gotischen Viertel, verfügt über große Zimmer, eine helles, freundlich eingerichtetes Wohnzimmer, eine gut ausgestattete Küche, Duschen, Waschmaschine usw.
Ich war bei meiner Ankunft der einzige Gast in einem sehr geräumigen Vierbettzimmer, richtete mich häuslich ein, duschte und machte mich als erstes auf die Suche nach einem Supermarkt, den ich auch alsbald gleich in der Nähe fand.

Altstadt von León

Nun hatte ich 2 Tage Zeit, mir die Stadt anzusehen und mich ein wenig von den Strapazen des Caminos zu erholen, bevor es über Bilbao wieder zurück nach Wien ging.


Mehr als die Hälfte des Camino Francés war also geschafft und die restlichen 300 km würden früher oder später auch noch zu bewältigen sein.

Mittwoch, 27. April 2016

Bercianos - El Burgo Ranero - Reliegos


Bercianos del Real Camino: Ein Kirchturm und ein zweiter für das Storchennest

Bercianos: Eine sehr gemütliche Herberge, blauer Himmel, saftige grüne Wiesen mit Schafherden, Sonne und eine wunderschöne Landschaft. Leider konnte ich nicht länger hier bleiben, doch auch dieser Ort gehört seit gestern zu meinen Favoriten!

Kreide statt Schildern

Die Herberge Santa Clara empfehle ich sehr gerne weiter. Herbvergsvater und -mutter waren wie richtige Eltern zu uns, schauten am Abend, ob alle da waren, ob wir es auch schön warm im Zimmer hatten (sie hatten so gut eingeheizt, dass ich den Heizkörper in der Nacht sogar zurückdrehen musste, denn ich lag direkt daneben), kamen uns am Morgen guten Tag sagen und wünschen uns Buen Camino.

Bercianos - El Burgo Ranero

Vor der folgenden Etappe warnten sie uns zurecht! Eintönig, laut (da parallel zur Autobahn), nur ein Dorf zum Frühstücken dazwischen, ansonsten nichts als Landschaft: Felder, so weit das Auge reicht, kaum Schatten, ein schmaler, unbequemer Weg mit vielen Pilgern im Gänsemarsch, da überholen kaum möglich...

El Burgo Ranero

Nun ja, auch das ist der Camino. Viele lange Durststrecken, wenn man ihn mit dem realen Leben vergleicht, dazwischen schöne Momente und einige wirkliche Highlights... So wie Moratinos, Burgos oder Bercianos del Real Camino.

Dienstag, 26. April 2016

Moratinos - Bercianos del Real Camino



Ortszentrum von Moratinos

Die 20 km von Moratinos über Sahagún nach Bercianos del Real Camino bin ich heute nicht ganz freiwillig gelaufen, denn eigentlich wollte ich nicht weiter als bis Calzadas del Coto gehen, aber dann kam es leider anders und ich musste - wenn auch unter größter Überwindung - noch weitere 6 km zulegen ...

Die "Botegas" von Moratinos sind in den Hang gegrabene Weinkeller

Aber beginnen wir ganz von vorne, d.h. dort, wo ich gestern stehen geblieben war, nämlich im Hostel Moratinos: Ich war glücklich über mein schönes Zimmer in der modernen Herberge und wollte gerade ein wenig ausruhen, als es an der Tür klopfte, der Betreiber einen Mann ins Zimmer begleitete und diesem ohne viel Federlesens oder gar eine Entschuldigung den Platz neben mir im Doppelbett zuwies.

Mit einem Wildfremden Mann im Doppelbett: Auch solche Überraschungen gibt es auf dem Camino

Dieser - wie sich später herausstellte ein Däne - war fast noch erstaunter als ich ... denn selbst auf dem Camino ist ein solches Vorgehen (insbesondere, wenn die Betriebe bestenfalls zur Hälfte und in unserem Fall zu etwa 10% ausgelastet sind) doch recht ungewöhnlich. 

Ziemlich mit der Situation überfordert packte der Däne die wichtigsten Sachen aus und verschwand dann für längere Zeit. Ich sah ihn später unten im Speisesaal bei einem Bier.

Das war jedoch noch nicht alles. Keine Viertelstunde später klopfte es wieder an der Zimmertür und der Hospitalero führte wortlos einen weiteren Mann, so um die 70, herein und wies ihm das zweite - in einer Nische stehende - Bett zu.

Die typischen Lehmhäuser in Moratinos

Wer dieser Mann war und woher er kam, kann ich leider nicht sagen, denn seine Kommunikation beschränkte sich auf ein paar unverständliche Laute und er warf sich nach einem kurzen Abstecher ins Bad umgehend auf sein Bett, um erst wieder am darauffolgenden Morgen - ich machte mir zwischendurch bereits Sorgen, ob er überhaupt noch am Leben war oder vielleicht ein Herzinfarkt seinem Dasein ein abruptes Ende gesetzt hatte - wortlos wieder aufzustehen und das Haus zu verlassen.

Die Nacht verlief allerdings ruhiger, als ich befürchtete hatte: Der Däne bot mir vor dem Schlafengehen an, unsere beiden Betten 10 cm auseinander zu schieben (mehr Platz wäre auch nicht gewesen) und das Schnarchkonzert, mit dem ich eigentlich fix gerechnet hatte, blieb erfreulicherweise aus.

So erwachte ich gegen 06:00 Uhr gut erholt (die Matratzen im Hostel sind übrigens von hervorragender Qualität), packte meine Siebensachen, trank schnell einen Espresso und verließ gegen 07:30 das Hostal.
 
Aufbruch bei Sonnenaufgang

Die Sonne ging gerade auf, der Mond stand ebenfalls noch am Himmel, das Wetter war gut und bereits jetzt angenehm warm und ich wanderte guter Dinge durch die Wiesen und Felder bis ins nächste Dorf, San Nicolás, wo ich mir einen frisch gepressten Orangensaft und ein Muffin genehmigte, denn vor mir lagen 7,5 km ohne eine weitere Möglichkeit sich zu stärken.

San Nicolás

Der Weg entlang der Autovia Camino de Santiago war eintönig und zog sich dahin.


Endlich, es war so gegen 09:30 kam ich zu einem Bach. Eine steinerne Brücke führte zu einer kleinen Kirche, auf der Wiese rundum standen Tische und Bänke sowie zwei Säulen mit Statuen und einer Inschrift, die darüber informierte, dass hiermit die Hälfte des Camino absolviert war.

Ermita de la Virgen del Puente, kurz vor Sahagun

Sahagún - Centro geográfico del Camino

Ein paar andere Pilger kamen hinzu und wir machten gegenseitig Fotos von einander, dann brach ich auf ins etwa 2 km entfernte Sahagún. 

Albergue de peregrinos, Sahagún

Auch diese Stadt hatte früher sicher schon einmal bessere Zeiten gesehen: Viele Häuser standen leer oder zum Verkauf, Kirchen und Kunstwerke waren teilweise verfallen und meine Suche nach einem Supermarkt oder einem Laden, der diese Bezeichnung auch nur halbwegs verdiente, verlief erfolglos.

Stadtzentrum von Sahagún

Kaum war ich in der Stadt drin, war ich auch schon wieder draußen, wiederum ging es über eine Brücke und anschließend entlang der Straße Richtung Bercianos, das ich allerdings heute gar nicht anstrebte.

Immer weiter der Jakobsmuschel nach ...

Die Sonne schien, es wurde heiß und dieser Teil des Caminos, auf einem staubigen und schmalen Weg entlang der Straße, wirkte nicht gerade ansprechend oder aufbauend. Ich tröstete mich mit der Hoffnung auf ein gutes Mittagessen im nächsten Dorf, das ich irgendwo hinter dem Autobahnknotenpunkt in der Ferne vermutete. Jetzt zog sich der Weg wirklich schon endlos entlang der Straße dahin.



Endlich tauchte eine Brücke - und inmitten des Asphalts der verschiedenen Zubringer-Straßen ein Dorf auf: Calzada del Coto! 


Es war jetzt 12, ich hatte Hunger und Durst und wollte eigentlich den Camino fur heute hier beenden, doch die einzige Herberge, die außerdem, das sei hier noch am Rande erwähnt, nicht sehr einladend auf mich wirkte, war geschlossen und sollte erst um 13 Uhr aufsperren.

Mein erster Gedanke, inzwischen essen zu gehen oder mir zumindest etwas Essbares zu besorgen, wurde sehr rasch ad absurdum geführt, denn in diesem Dorf gab es - im Gegensatz zu den Angaben im Pilgerführer (die sich auch bereits hinsichtlich der Öffnungszeiten der Herberge als falsch erwies en hatten und das nicht zum ersten Mal) - außer ein paar Häusern, Ställen und Wiesen - absolut nichts, nicht einmal Einwohner, die man danach hätte Fragen können, ließen sich blicken.


Auf einem Rastplatz am Ende des Ortes stieß ein Deutscher zu mir, mit dem ich bereits in Hontanas ein paar Worte gewechselt hatte, und zum Trost bot er mir ein Stück Schokolade an.

An dieser Stelle teilt sich der Weg nach León in den klassischen Camino Francés (5 km bis Bercianos del Real Camino) und den "camino alternativo" (8 km bis ... irgendwohin, das war mir aber sowieso egal).


Ich entschied mich für den Weg links (5 km!), der Deutsche, der sich vorhin gerade noch als bequem bezeichnet hatte - warum auch immer - für den auf der rechten Seite und schleppte mich und meinen Rucksack, der nun von Kilometer zu Kilometer schwerer wurde, mit schmerzenden Füßen weiter bis zu dem offiziellen Ende von Etappe 18, ein Dorf mit dem klingenden Namen Bercianos del Real Camino.

Oase am Ortseingang von Bercianos: "Casa de Peregrino" bar & café

Um 13:30 war es endlich geschafft und am Dorfeingang erwartete mich ein Lokal mit Tischen und Stühlen unter roten Sonnenschirmen, einem Besitzer, der zu meiner Freude Italienisch sprach, köstlichem kühlen Bier und Thunfisch in Blätterteig.

Albergue Santa Clara in Bercianos

So gestärkt fand ich auch meine Kräfte wieder, bekam ein Bett in einem geräumigen 4-Bett-Zimmer in der gemütlichen Albergue Santa Clara (auch hier spricht man Italienisch) und ließ den Tag ruhig ausklingen.

Abendstimmung in Bercianos




Montag, 25. April 2016

Villalcázar - Moratinos oder: Vom Winter in den Sommer in nur einem Tag

Manchmal im Leben muss man Entscheidungen treffen und heute war einer dieser Tage!
Wie die anderen vier Pilgerinnen und Pilger hatte ich die letzte Nacht mit allem, was ich an warmer Kleidung besaß am Körper und trotzdem vor Kälte zitternd in der städtischen Herberge von Villalcázar verbracht.

Ein Pilger aus Italien klagte morgens über Fieber, uns anderen ging es auch nicht viel besser. Ich wollte mich davon jedoch nicht aufhalten lassen, trank um 07:30 nur schnell eine Tasse Kaffee und machte mich auf den Weg, um mich durch körperliche Bewegung vielleicht ein wenig aufzuwärmen. 

Adios, Villalcázar!
 
Die Wetter-App auf meinem IPhone zeigte exakt 1 Grad unter dem Gefrierpunkt, ich hätte mir Handschuhe gewünscht, aber das war nur ein Wunschtraum und so blieb mir nichts Anderes übrig, als im Eiltempo in die nächste Stadt, Carrión de los Condes, zu laufen.
 
Morgenfrost auf dem Weg nach Carrión

Als ich gegen 09:00 Uhr dort eintraf, hatte es noch immer -1°. Ich ging in die erste offene Bar und wärmte mich mit einer guten Tasse Café con leche etwas auf.

Café La Parada - die Bushaltestelle liegt aber gegenüber!

Ehrlich gesagt schauderte mir vor den folgenden 17 km quer durch die Tierra de Campos, denn auf dieser Stecke gab es keine einzige Ortschaft und kein Lokal, um sich zwischendurch ein wenig zu stärken oder bei Bedarf auch aufzuwärmen.


In einem anderen Lokal traf ich einige Pilger, die ich schon von früher kannte. Sie alle hatten genug von der Kälte und dem seit Tagen anhaltenden schlechten Wetter und warteten hier auf den Bus nach Leon. 

Nur noch 403 km bis Santiago ...

Ich konsultierte meinen Pilgerführer und dachte nach ... Allzu leicht wollte ich es mir nun doch nicht machen, außerdem hatte ich ja noch einige Tage Zeit, denn mein Hotelzimmer in Leon war erst für den 29. gebucht und was sollte ich in den kommenden 4 Tagen bis dahin machen?

So entschied ich mich für einen Kompromiss: Ich würde mich im Café, das zugleich als Fahrkarten-Vorverkaufsstelle diente, noch etwas aufwärmen und dann gegen Mittag zusammen mit den anderen den Bus nehmen, jedoch schon bei der ersten Haltestelle wieder aussteigen.

Gesagt, getan! Und diese Entscheidung erwies sich eindeutig als die Richtige ...

 
Terradillos de los Templarios - plötzlich Sommer!

Terradillos de los Templarios - das war der großspurige Name dieser Haltestelle - ist ein Dorf, das der Bezeichnung "wo sich die Füchse Gute Nacht sagen" mehr als gerecht wird: Eine Kirche, ein paar verfallene Häuser und eine - geschlossene - Pilgerherberge, ringsum Wiesen und Felder, dazwischen der Camino ...

Menschenleer - Terradillos

Aber es war deutlich wärmer als in Carrión. Der Weg führte leicht bergauf und ich konnte mich Stück für Stück der vielen Kleidungsstücke entledigen, die ich am frühen Morgen nach der Zwiebeltechnik übereinander gezogen hatte.

Und plötzlich: Das Paradies!

Mit T-Shirt und einer leichten Jacke wanderte ich durch die  smaragdgrünen Felder und landete hinter einer Kurve plötzlich in Moratinos: Ein Dorf wie aus dem Bilderbuch, am Dorfeingang ein wunderschönes modernes Hostal mit Tischen und Stühlen im Freien auf einer Terrasse mitten im Grünen. Die Sonne schien, der Himmel war tiefblau, ringsum saftig grüne Wiesen, ein kleines Paradies inmitten der Meseta - und ich beschloss für heute hier zu bleiben und die Idylle, die sich so unerwartet vor mir aufgetan hatte einfach zu genießen. 

Albergue Moratinos

P.S.: Wie es dann noch weiterging und ich schließlich mit zwei wildfremden Männern am Zimmer landete, werde ich euch morgen verraten ;-)