Aufstieg zum Alto del Perdon |
Ich war um die 55, als das Thema "Jakobsweg" erstmals richtig in mein Bewusstsein drang und ich begann, mich mit dem Camino auseinander zu setzen, darüber zu lesen, mir auf youtube Videos anzusehen und hin- und her zu überlegen. Damals war ich berufstätig, schon drei Wochen Urlaub am Stück wären schwierig gewesen und selbst wenn es möglich gewesen wäre, so hätte ich diese zur Erholung gebracht.
Auch Pausen gehören dazu ... |
Auch mein Privatleben gestaltete sich alles andere als einfach - Verpflichtungen, Verbindlichkeiten, Troubles in jeder Hinsicht, kurz und gut: Ich wusste schon damals, dass ich den "Weg" irgendwann gehen würde, nur wann, lag noch in weiter Ferne.
Aufbruch von Uterga am frühen Morgen |
So wurde ich 60, die beruflichen Verpflichtungen fielen weg und auch im privaten Bereich begannen sich die Wolken zu lichten, allerdings nicht so weit, dass daran zu denken war, eine mehrwöchige Auszeit zu nehmen, um den ganzen Camino in einem Stück zu gehen. Bis mir der Gedanke kam, dass dies ja auch gar nicht notwendig war und dass ich ihn - wie viele andere vor mir auch - ja aufteilen und in mehreren Teilstrecken gehen könnte.
Dieser Gedanke bedeutete für mich den Durchbruch und ich schritt zur Tat. Der Monat April schien mir sehr geeignet für meine Unternehmung, ich suchte im Internet nach den günstigsten Anreisemöglichkeiten und buchte schließlich im Jänner die entsprechenden Flüge und Bahntickets.
Dann - im Fabruar - der Rückschlag: Von einem Tag auf den anderen bekam ich so starke Schmerzen in meinem rechten Knie, dass ich mich sogar in der Wohnung kaum von einem Zimmer ins andere bewegen konnte. Es folgten die üblichen Untersuchungen, Medikamente, Therapien, mein Abflug rückte näher und ich war weder schmerzfrei noch besonders optimistisch. Mein Knie wurde langsam wieder besser, aber wie würde es auf dem Camino - noch dazu auf dem ersten Teil in den Pyrenäen - , der ja bergauf und bergab verlief, und noch dazu mit einem schweren Rucksack auf dem Rücken sein?
Landschaften von unglaublicher Schönheit |
So entschloss ich mich, schweren Herzens, die erste Etappe auszulassen, d.h. mit dem Bus von Saint-Jean nach Roncesvalles zu fahren, und die anschließenden Tagesetappen - ganz nach meinem körperlichen Befinden - völlig offen zu lassen. Nachdem ich diese Entscheidung getroffen hatte, fühlte ich mich befreit, und auch mein Knie wurde von Tag zu Tag besser.
Ich machte kurze Spaziergänge, fuhr auch wieder ein wenig Rad, von Training konnte jedoch - allein schon aufgrund des Schlechtwetters - keine Rede sein.
Die Jakobsmuschel weist überall den Weg |
So trat ich am 14.4. - 61 Jahre alt, untrainiert und mit einer nicht gerade positiv stimmenden Krankengeschichte für 10 Tage den Camino an, kam gesund zurück und habe dieses Wagnis nicht bereut.
Die bisherige Strecke: SJPDP (oder besser gesagt Roncesvalles) - Puente de la Reina. Nicht viel, wenn ich unterwegs von anderen hörte, dass sie täglich 30 km oder mehr am Stück gegangen waren, für mich selbst jedoch eine enorme Bestätigung, und ich werde im Herbst "meine" nächste Teilstrecke weitergehen.
Kurze Rast |
Ich konnte beobachten, dass sie sich umso leichter taten, je weniger Zwang sie sich selbst auferlegten und je mehr sie auf die Signale ihres eigenen Körpers hörten.
Für immer hier geblieben ... |
Soweit ich sehen konnte, lässt sich der Camino Francés auch in winzigen Tagesetappen begehen, der Abstand zwischen den einzelnen Ortschaften (und somit auch den Unterkunftsmöglichkeiten) liegt zumeist zwischen 5 und 10 km und auch die Gefahr, im Falle eines Unfalls oder gesundheitlicher Probleme nicht gefunden zu werden, erscheint mir bei dem enormen Pilgeraufkommen auf dieser Strecke äußerst gering.
Manchmal scheint der Weg kein Ende nehmen zu wollen: Abstieg von Erro nach Zubiri |
Ich schreibe das, um jenen Mut zu machen, die wie ich über 60 und gesundheitlich vielleicht nicht topfit sind und daher vielleicht noch zögern, den Weg zu gehen, obwohl sie sich das schon lange wünschen.
Probiert es einfach, geht den Weg in eurem eigenen Tempo, ihr müsst niemandem (mehr) etwas beweisen, seid ehrlich zu euch selbst und zu den anderen und nehmt an, was der Camino für euch bereit hält ... In meinem Fall waren es ein unglaublich schönes landschaftliches Erlebnis, zahlreiche nette Begegnungen mit Menschen jedes Alters und aus aller Herren Länder, neues Selbstvertrauen und die Zuversicht, dass ich es auch bis Santiago schaffen kann - möge es für mich auch etwas länger dauern, als die üblichen 33 - 35 Tage ...
Alle Wege führen nach Santiago: Bodenmarkierung in Pamplona |
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