Zwischen Astorga und El Ganso |
Letzte Woche bin ich ihn zu Ende gegangen und durfte in Santiago meine Compostela in Empfang nehmen. Ein Wunschtraum, den ich schon über 10 Jahre lang hegte ist somit in Erfüllung gegangen, ein großes Projekt abgeschlossen.
Den Sonnenaufgang bewusst erleben |
Rückblickend kann ich sagen: Die Zeit auf dem Camino war mit Sicherheit eines der größten, wichtigsten und schönsten Erlebnisse meines ganzen Lebens. Natürlich war es auch anstrengend, ließ mich meine Grenzen erkennen, aber auch überschreiten. Und eines ist sicher: Ich würde diese Erfahrung auf keinen Fall missen wollen und, wenn möglich, sogar gerne wiederholen.
Frühjahr 2015: Die ersten Kilometer |
Ich wurde gestern 63 Jahre alt. Vor ca. eineinhalb Jahren, im Frühjahr 2015, fuhr ich das erste Mal nach Spanien, um mich einige Tage lang auf dem Camino umzusehen. Ich hatte gerade Probleme mit meinem rechten Knie gehabt und wusste nicht, ob ich es überhaupt schaffen würde, täglich zahlreiche Kilometer, noch dazu mit einem schweren Rucksack, zu laufen.
Larrasoana (2015) |
Doch siehe da, es ging! Auf diesem "Schnuppercamino" kam ich damals von Roncesvalles (die Überquerung der Pyrenäen traute ich mir damals noch nicht zu) bis Puente de la Reina, und kaum zurück plante ich bereits die Fortsetzung: Im Herbst fuhr ich wieder hin und setzte die Strecke bis Nájera fort. Im Frühjahr 2016 lief ich von Nájera bis La Virgen del Camino und jetzt, im Herbst die letzten 300 km bis Santiago de Compostela.
Hornillos del Camino (Frühjahr 2016) |
Meine Tagespensen beliefen sich im Durchschnitt auf ca. 20 km, hin und wieder waren es 15 oder 25, an Tagen, an denen es mir weniger gut ging, manchmal auch nur 10. Die klassischen Etappen aus den Pilgerführern sah ich eher nur als Richtlinie, denn gehört habe ich fast ausschließlich auf die Signale meines Körpers, bin dort geblieben, wo es mir gefiel (zumeist vor oder hinter den traditionellen Etappenzielen), manchmal auch länger als eine Nacht, um mir die eine oder andere interessante spanische Stadt näher anzusehen.
Sightseeing in Pamplona |
Mit dieser Strategie bin ich ausgezeichnet gefahren. Ich bin zwar immer gerne und viel zu Fuß gegangen, eine große Sportlerin war ich jedoch nie und meine Kondition aufgrund einer jahrelangen sitzenden Tätigkeit im Büro auch nicht die Beste. So habe ich mich langsam an den Camino herangetastet und auf den letzten 300 km war ich überrascht, wie gut ich, mit jüngeren Pilgerinnen und Pilgern mithalten konnte, selbst mit solchen, die nur mit einem leichten Tagesrucksack unterwegs war.
Cruz de Ferro (September 2016) |
Kurz gesagt: Ich habe und hatte auf dem gesamten Camino keine einzige Blase, keine Gelenksprobleme und war - trotz Kälte, Regen, Hitze, Duschen und Haare waschen oft nur mit kaltem Wasser und ohne Fön, keinen einzigen Tag krank. Auch das Wasser aus den öffentlichen Brunnen hat mir nicht geschadet.
O Cebreiro (September 2016) |
Ich achtete allerdings darauf, genug Vitamine in Form von Obst, Salaten und Gemüse zu mir zu nehmen, kaufte mir unterwegs Joghurt und Nüsse und nahm auch genug Kohlenhydrate und Flüssigkeit zu mir. Fleisch gab es nur sehr selten und ich habe es auch nicht vermisst.
Köstliches Mittagsmahl in der Albergue Casa Dominus |
Wichtig waren mir ausreichende Ruhephasen. Ich brach zumeist gegen 07:00 Uhr Morgens auf und wanderte mit einer Frühstückspause am späteren Vormittag bis gegen 13, spätestens 14 Uhr. Das ist die Zeit, in der die meisten Pilgerherbergen aufsperren, und wenn man früh genug dort ist, kann man sich sein Bett zumeist noch aussuchen, die Duschen sind sauber und frisch geputzt und es gibt - wenn vorhanden - noch ausreichend warmes Wasser. Nach dem Duschen und Wäschewaschen ging ich zumeist Mittagessen und sah mir den jeweiligen Ort an. Am Abend gab es dann, wenn überhaupt, nur mehr eine Kleinigkeit.
Schlafsaal in El Acebo |
In fast allen Pilgerherbergen wird um 22:00 das Licht abgedreht, doch zu dieser Zeit schlafen die meisten Pilger bereits. Bis 06:00 Früh, wenn die ersten aufbrechen, sind also 8 Stunden Zeit, um sich gut auszuruhen und zu erholen.
Die Kathedrale von Burgos |
Hin und wieder, aber eher selten, schob ich einen Ruhetag ein. Das war z.B. im vergangenen Frühjahr in Burgos der Fall, als die Temperaturen um den Gefrierpunkt lagen und ich erste Zeichen einer Erkältung spürte. Nach einem Tag Erholung und Wärme in einem Hotel war ich wieder topfit und konnte mit neuer Kraft weiterpilgern.
Kleiner Luxus zwwischendurch: Hotel Entrearcos in Burgos |
Auf Rucksacktransport und Vorreservierungen habe ich völlig verzichtet, ersteres, weil es für mich zum Pilgern einfach dazugehört, sein "Päckchen" mitzutragen (welches von Mal zu mal kleiner und leichter wurde), zweiteres, weil ich mich in punkto Tagesziele nicht im Voraus festlegen, sondern dann und dort mein Lager aufschlagen wollte, wann ich es für angemessen hielt bzw. wo es mir gut gefiel.
In der Kathedrale von Santiago |
Auf diese Art habe ich es gut und wohlbehalten - und mit Gottes Hilfe - bis nach Santiago geschafft. Obwohl auf dem Camino natürlich sehr viele junge Menschen unterwegs sind, gehörte ich mit meinen 60 Jahren bei Weitem nicht zu den Ältesten. Viele Pilger sind 70 Jahre und älter und auch sie bewältigen den Weg größtenteils ohne Probleme, gehen teilweise kürzere Etappen und erfreuen sich an der Schönheit des Weges ohne sich zu hetzen.
Costa de la Muerte in Fisterra |
Ich möchte also allen, die ebenfalls insgeheim den Wunsch hegen, selbst den Jakobsweg zu gehen, Mut machen, es zu wagen! Wichtig dabei ist nur, auf den eigenen Körper zu hören und den Camino nicht als Wettlauf zu sehen, sondern als das, was er ist: Ein Weg mit und zu sich selbst. In diesem Sinne: Buen Camino allen zukünftigen Jakobspilger*innen!
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